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Von Stephan Herczeg

Zu den unschönen Aspekten meiner auf Instagram verbrachten Zeit zählt die inzwischen zur Binsenweisheit verkommene und ständig mitschwelende Erkenntnis, alleine durch meine Online-Anwesenheit, mit jedem Klick, mit jedem Like, mit jedem Kommentar ein datensammelndes und -verkaufendes Social Media-Kombinat zu unterstützen, das letztes Jahr durch die Vermarktung unser aller Datenprofile, unserer Vorlieben und Abneigungen, einen Umsatz von über 85 Milliarden Dollar generierte. Okay, so funktioniert eben Kapitalismus, um es mal etwas simpel auszudrücken. Das ist der Deal und Tauschhandel, auf den ich mich einlasse, wenn ich einen der scheinbar kostenlosen Dienste Facebooks unbedingt nutzen möchte. Ich werde Teil einer Zielgruppe, die Werbetreibenden zugewiesen wird, um mir etwas zu verkaufen, von dem der facebooksche Algorithmus annimmt, dass ich mich dafür interessiere. So ungefähr stelle ich mir das vor. Ich weiß, es ist komplizierter.

Aber eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich niemals Sweatpants in Jeans-Optik kaufen würde, auch wenn sie mir zwischen den Insta-Stories ständig angezeigt werden. Gut, ich bin potentielle Zielgruppe, männlich, mittelalt, schwul, dem jugendlichen, sweatpantstragenden Körper verfallen, den ich nicht mehr besitze und deshalb rein theoretisch in sogenannten Jogg-Pants anbiedernd verhüllen könnte. Und vor drei Wochen habe ich mal das Selfie von Nicolas Ghesquière geliked. Das ist der Designer von Louis Vuitton, deshalb interessiere ich mich für Mode. Aber nur für billige Mode, wie zum Beispiel Sweatpants in Jeans-Optik für 29,90, auf die ich dann direkt nach dem Like für Ghesquière geklickt habe. Aus reiner Neugier, weil mich als Kunsthistoriker das Trompe-l’œil-hafte daran faszinierte. Also ob es sowas wirklich als Massenware gibt, eine Jogginghose, auf die eine faltige, abgeranzte, gutsitzende, blaue Jeans aufgedruckt ist. Und schon hatte ich zum Unternehmensgewinn Facebooks beigetragen, denn Facebook ist es scheißegal, ob ich die Sweatpants in Jeansoptik dann auch tatsächlich kaufe, es zählt nur mein Klick, für den der Werbetreibende bezahlt.

Was der für mich zuständige Insta-Algorithmus auch komplett falsch einschätzt, ist mein angebliches Interesse an mit lizenzfreier Electro-Honkytonk-Musik unterlegten Video-Ads, die mich auf Bienenwachstücher, am Handy anclipbare Selfie-LED-Leuchtringe, Knoblauchwippen oder in Buchform ausgedruckte WhatsApp-Chatverläufe mit personalisiertem Cover scharf machen sollen. Andererseits liegt der Algorithmus gar nicht mal so richtig daneben, denn dieses adressierte Ich schlummert durchaus anfällig in mir und würde sofort alles kaufen, wenn es nur 20 Prozent narzisstischer, zwei Prozent dümmer und 50 Prozent weniger geizig wäre. So verfolge ich mit großem Interesse die mir ausgespielten, auf küchenpsychologischen Fehleinschätzungen beruhenden Insta-Ads, die mir aufweisen, wie ich beinahe auch hätte sein können: ein Sweatpants in Jeans-Optik tragender Honk mit temporären Fake-Tattoos, der sein Handy im Auto mit diesen praktischen, wiederverwendbaren Klebepunkten an der Frontscheibe fixiert und seine 100 populärsten Tweets an Freunde als Buch verschenkt. Noch ist es dafür nicht zu spät!