praschl

to the party you are rather late

Von Peter Praschl

Über Nacht hatten sie die Ecke, in der ich wohne, wieder mit Body-Positivity-Propaganda zuplakatiert, diesmal Dove, fette Frauen in Unterwäsche zum Slogan «zwei von drei Frauen in Deutschland haben schon einmal Body Shaming erlebt», ein paar Wochen zuvor war es bei Rowohlt und Melodie Michelberger um die Frage «Wer schön sein will, muss… warum eigentlich?» gegangen

& dachte gleich wieder, könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen mit diesem Kram, mir doch egal, wie ihr ausseht

& war sowieso immer muffiger geworden, weil ich bei jeder neuen Serie nach spätestens zehn Minuten wusste, wer in ihr mitspielte, bloß weil sich irgendein Caster daran erinnert hatte, dass ohne POCs, Dicke und Nichtheteros nichts mehr geht, & wie demütigend es sein musste, in die Schlacht geschickt zu werden, ohne zu wissen, ob man gut war oder doch bloß Kanonenfutter für die Kriege anderer Leute, denen es um ihre Reputationsorden ging

& wie es mich nervte, von diesen Leuten, die fette Frauen auf Plakate hoben, auf denen im Grunde nichts anderes stand, als dass es hier fette Frauen zu sehen gab, von diesen Leuten also, gesagt zu bekommen, was ich denken, mögen und nicht nicht mögen sollte, um niemanden zu verletzen, zu übersehen, auszuschließen

& wie sich immer «wie von selbst» in mir Fleischhacker-Kolumnen zu schreiben begannen, das Billigste, womit man auf diesen Unsinn reagieren kann & ich mich schämte dafür & mit O. darüber stritt, die das gut fand, weil es etwas sichtbar machte & ich sofort sagte, dass ich auf Sichtbarkeit, die sich gut vorkommt, weil sie fette Frauen groß rausbringt, gerne verzichtet hätte

& wie ich «das alles» sofort noch mehr zu hassen begann, schwachsinnige body positivity, schwachsinnige Antiexklusionskämpfe, schwachsinniges Identitätsgefuchtel, wer will denn bitte ein positives Körperbild haben, wer will denn bitte dazugehören, wer will denn bitte eine Identität haben, kannst du mir das bitte endlich erklären,

& mir dann wieder das Video ansah, das ich mir im letzten Jahr mindestens 50 Mal angesehen habe, weil es das einzige ist, was mich von meinem Hass «auf das alles» wieder herunterholt,

The Kids Are Having None Of It von Frazey Ford,

(Sängerin aus Vancouver, irgendwo zwischen Folk und Soul, unglaubliche Stimme)

in dem sie mit anderen Müttern aus ihrer Nachbarschaft auf der Hintertreppe eines Hauses sitzt & alle haben einen Blick, dem man anmerkt, dass man sich mit denen jetzt besser nicht anlegt,

& die Kinder dieser Mütter & auch mit ihnen legt man sich jetzt besser nicht an, fahren Rad, machen Tricks auf dem Rasen, tanzen, malen Plakate für ihre Demo, call me they & end mental health stigma & smash patriarchy, hören dem Lied zu, das Frazey Ford singt und in dem es darum geht, dass die Kids den Erwachsenenscheiß nicht mehr mitmachen, we’re out here to evolve i guess you missed the call, heißt es darin, oder the likes of you should never hold the wheel, zeigen ihre Plakate auf denen protect trans youth steht oder unlearn colonial thought oder consent

& denke auch nach dem 51. mal, wie gut das ist, die Sichtbarkeit, die Körper, die body positivity, die Diversität & wie mir dieses Video das alles endlich erklärt

& sind die schönsten Kinder der Welt