Produzent Florian Körner von Gustorf im Gespräch
Produzieren heißt zunächst einmal: finanzieren – am Beispiel von Im Schatten: Wie gehen Sie bei einem Projekt dieser Art finanzplanerisch vor?
Zuerst einmal wird die ganze Sache auf den Kopf gestellt, das heißt, wir ermitteln nicht den Finanzbedarf des Films, sondern wir schauen, wie viel Geld wir überhaupt bekommen können. Wir sagen: Okay, wen haben wir beim Fernsehen für dieses Projekt? Bei Im Schatten war das 3sat mit der zuständigen Redakteurin Inge Classen, und wir wissen, dass sie nicht viel Geld hat. Für fast jeden deutschen Kinofilm ist das Fernsehen die Finanzierungsgrundlage. Umso höher der Anteil des Fernsehens ist, desto höher kann auch die Förderung ausfallen. Fernsehen und Förderung müssen in einem bestimmten Verhältnis stehen.
Mit anderen Worten: Das Fernsehen ist systembedingt der wichtigste Player.
Ohne das Fernsehen gibt es im Grunde genommen keine Möglichkeit, eine Finanzierung darzustellen. Wir können einen fiktiven Lizenzanteil, der immer 50% der Fernsehbeteiligung beträgt, gegenüber der Filmförderung als Eigenanteil geltend machen. Dazu benötigen wir zusätzlich 5% als Eigenmittel, richtig Cash. Was früher besser geregelt war, denn die Eigenmittel konnten Verleih- und Vertriebsgarantien sein.
Warum wurde das geändert?
Um eine Gleichstellung von Häusern unseres Formats mit größeren Firmen herzustellen. Große Produktionsfirmen, die ihre eigenen Verleihe haben, konnten sich früher Garantien ausstellen, die sie dann vorrangig zurückbekommen haben. Kurz gesagt: Die Förderungen sahen selten Geld. Darunter müssen wir jetzt nach der Änderung leiden, weil wir unsere Garantien – z.B. 20 000 vom Verleih, vielleicht 30 000 vom World Sales – nicht mehr als Eigenmittel darstellen dürfen.
Wie geht die Finanzierung nach der Sicherstellung des Fernsehanteils weiter?
Dann stellen wir fest, dass wir komplett in Berlin drehen werden, keine Drehorte in anderen Bundesländern haben, und deshalb für dieses Projekt nur eine einzige Förderung als Partner in Frage kommt. In unserem Fall das Medienboard Berlin-Brandenburg, wo wir das Projekt dann auch vorgestellt haben. Und da findet dann eine Diskussion statt: Was ist das für ein Film? Bleibt das in der Form der Veröffentlichung nicht unterhalb der Wahrnehmungsgrenze? Das ist eine berechtigte Frage der Förderer, wenn man sich hierzulande die Kinolandschaft anschaut, mit 70 Filmen, die parallel in Deutschland im Kino laufen, bei 400 Neustarts im Jahr. Wo finden wir da statt?
Wie argumentiert man da?
Wir stellen dar, was das Besondere an unserem Film ist. Bei Im Schatten ist es gelungen zu zeigen, dass hier das Genre gut bedient wird, ein echter Gangsterfilm ohne Chichi.
Sie agieren also praktisch ausschließlich im Dialog mit öffentlichen Institutionen verschiedenen Zuschnitts, schnüren ein projektspezifisches Paket aus Kultursubventionsmitteln.
Es ist ja bekannt, wie sehr die deutschen Produzenten an ihrem Berufsbild leiden, weil sie nie eigenes Geld haben, das sie investieren können. Sie sind auf das Wohlwollen von Redakteuren und Filmförderung angewiesen.
Da sie nicht mit eigenem Kapital, sondern vorwiegend mit staatlichen Subventionen operieren: Inwiefern befinden sie sich überhaupt auf einem Markt?
Es ist auf jeden Fall ein Markt. Es gibt ja viele subventionierte Märkte, ob das jetzt die Steinkohle ist im Ruhrgebiet oder die Autoindustrie – überall gibt es Subventionen. Trotzdem stellt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit: Soll man einem Produkt nur dann Wirtschaftlichkeit zugestehen, wenn es mehr erwirtschaftet als es gekostet hat? Das ist im Grunde die Rechnung der amerikanischen Studios. Die sagen, von zehn Filmen müssen drei performen und sieben können ein Minus machen. Trotzdem bleibt unter dem Strich ein Plus in der Kasse. So lesen die ihre Excel-Tabellen.
Wie definiert man denn in der Subventionszone Wirtschaftlichkeit?
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn ein Film 6 Millionen Euro kostet und 100 000 Zuschauer hat. Die Frage ist, ab wann eine vernünftige Relation existiert. Wenn man einen Film wie z.B. Jerichow nimmt, mit 100 000 Zuschauern, der 2 Millionen gekostet hat, finde ich das in Ordnung. Natürlich will man so viel Zuschauer wie möglich, gerne auch mehr als 100 000, da nehmen wir uns nichts mit den Amerikanern. Wir können wirtschaftlichen Erfolg zudem nicht ganz von seinem kulturellen Erfolg trennen. Wir müssen verstehen, dass die Entstehung der Filme in Europa davon geprägt ist, dass Förderung, Fernsehen und Produzenten einen Film als wichtig erachten. Deswegen wird er gemacht. Auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass der Film seine Kosten nicht wieder einspielen wird.
Jetzt ersetzten Sie aber Wirtschaftlichkeit einfach durch die etwas uneindeutige Formel vom kulturellen Erfolg.
Ich glaube, dass wir mit Im Schatten bei der Kinoauswertung Geld verdienen werden. Das hängt damit zusammen, dass wir mit zehn Kopien starten und die Marketingkosten äußerst schlank halten. Wir werden früh in die Gewinnzone kommen. Das ist wirtschaftlich, auch wenn wir die Herstellungskosten nicht vollständig zurückzahlen werden.
Seriöse Mittelständler.
Mittelstand ist so ein Wort, eher eine Two-Man-Show.
Es gibt aber auf jeden Fall einen gewissen Ehrgeiz, einen Film wie Im Schatten wirtschaftlich zu plausibilisieren.
Wir wollen 20 000 Zuschauer, also 2 000 Zuschauer pro Kopie, das ist unser Ziel. Wenn Im Schatten 20 000 Zuschauer bekommt, werden wir mindestens 15 000 Euro einnehmen.
Das Leiden am Berufsbild, von dem Sie vorher sprachen, hat aber doch offensichtlich genau damit zu tun, dass Produzenten für ästhetisch ambitionierte Filme unter den Bedingungen der Subventionslogik immer nur kulturelle Erfolge erzielen können. Man könnte auch sagen: symbolische Erfolge, deren Währung aus Auszeichnungen staatlicher oder zumindest staatlich geförderter Einrichtungen wie Filmfestivals, Grimme-Preis etc. besteht. Ein geschlossener Kreislauf aus Förderung und Prämierung?
Das Leiden hat eher damit zu tun, dass wir zwischen Fernsehen und Förderung feststecken. Der Produzent vereint die Kreativität mit dem Geld. Dabei ist er auf Subventionen angewiesen. Und dafür müssen wir uns nicht schämen, wenn wir uns die öffentlichen Budgets anschauen. Der Verteidigungshaushalt liegt bei 45 Milliarden Euro im Jahr und die deutsche Filmförderung ungefähr bei 400 Millionen. Ich finde es richtig, dass es Subventionen gibt. Genauso wie ich es richtig finde, dass es Theater und Opernhäuser und Institutionen wie die Urania gibt, die subventioniert werden.
Was sich unter diesen Bedingungen dann aber schnell verflüchtigt, ist das Hollywoodbild des Produzenten als glamourösem Kulturkapitalisten, der Zigarre rauchend im Sethintergund steht und das investierte Geld quasi verkörpert. Im Prinzip ist der Filmproduzent – wie etwa der Zylinder tragende Fabrikbesitzer – eine der traditionsreichsten Ikonen des Kapitalismus.
Stimmt. Ich glaube aber dennoch, dass das Bild des Produzenten als jemand, der Einfluss ausübt, generell zutreffend ist. Der Regisseur wie die anderen Beteiligten können eine wirtschaftliche Gestaltung ihrer Kreativität gut gebrauchen.
Gut, das Geld setzt dem, was an Bildern möglich ist, einen Rahmen. Das gilt immer, auch weil Film einfach auch im Low Budget-Segment ein kapitalintensives Medium bleibt.
Es gab mal während der Berlinale ein kurzes Get-together mit Bill Mechanic, dem Produzenten von Titanic. Der berichtete, wie er mit James Cameron gearbeitet hat. Er erzählte, wie er zum Set kam und sagte: «Diese Szene muss gestrichen werden!». Daraufhin wurde Cameron total sauer, sprang in sein Auto und fuhr vom Set weg. Die Szene wurde zwar gestrichen, aber drei Tage später hatte Cameron eine andere Idee, die die Kosten explodieren ließ. Die Steuerung eines künstlerischen Anspruchs, der sich immer am Geld messen muss, das gilt beim Film viel mehr als etwa bei einem Maler, bei dem einfach weniger Kosten entstehen – diese Steuerung halte ich für unvermeidlich und auch richtig.
Gehen wir einen Schritt weiter. Wenn die Finanzierung abgeschlossen ist, schaut man sich dann also noch mal das Buch an und eruiert, was auf Grundlage der eingeworbenen Mittel noch drin ist?
Genau. Bei Im Schatten, der am Anfang als Drogenthriller aus der Sicht eines Undercover-Agenten konzipiert war und sogar noch Drehorte in Südamerika hatte, hieß das am Schluss der Finanzierung: 21 Drehtage, 16 und 35mm können wir uns nicht leisten, deshalb die Entscheidung für die Digitalkamera RED. Das Team bestand aus 18 Leuten, also sehr überschaubar. Und so konnten wir arbeiten. Es hat ja dann auch gut hingehauen, dank der Erfahrenheit von Thomas Arslan.
Alles lief glatt?
Es gab schon einige Drehtage, wo wir in die Überstunden gehen mussten, die wir aber nicht bezahlen konnten. Ganz blöde Situation. Man kann ja nicht ans Set kommen und den Akku aus der Kamera ziehen. Da gab es dann schon mal lautere Wortgefechte, an der Waldhütte zum Beispiel. Es war der letzte Drehtag und es musste einfach gekürzt werden, um die Arbeitszeiten einzuhalten. Thomas Arslan hat dann auch eine Einstellung gestrichen und so konnten sich zum Drehschluss des Films dann doch alle umarmen.
Sind Sie immer am Set präsent?
Ich stehe nicht die ganze Zeit am Set, der Produzent hat dort eigentlich keine Aufgabe. Ich komme eher in der Mittagspause, um Dinge zu besprechen. Ich gebe da keine Inszenierungstips. Man will es ja nicht selber machen. Es geht darum, einen guten Arbeitsplatz herzustellen. Es gibt nichts Schlimmeres, als Dreharbeiten, wo nach drei Tagen schon drei Bilder hängen, weil die Zeit nicht reicht, weil man sich zuviel vorgenommen hat.
Es gibt zwei verbreitete Vorstellungen der Figur des Produzenten: Einmal der Reinredner und verhinderte Kreative, das wäre, nach allem, was man hört, das Modell Eichinger, und dann der Sparfuchs, der immer am Set rumlungert, weil er hofft, noch eine Kranfahrt verhindern zu können. Welches Bild liegt Ihnen ferner?
Natürlich der Sparfuchs. Kreativ bin ich als Produktoptimierer, in der Planung der Dreharbeiten auf Basis des Drehbuchs. Wenn man einen Blick dafür hat, was der Fokus des Projekts ist, dann kann man auch gut mitreden. Nicht gut wird es, wenn man nur sparen will und sich nicht gemeinsam auf Anspruch und Dimension des Projekts einigen kann. Das muss aber im Vorfeld der Dreharbeiten geschehen, bei der Buchgestaltung, spätestens bei der Drehplanerstellung.
Gäbe es bei Im Schatten eine Szene, ein Bild, ein Motiv, das heute im Film wäre, wenn Sie überraschend zusätzliche 100 000 Euro zum Ausgeben bekommen hätten?
Der Heli, der irgendwo durch Brandenburg schwebt und irgendwas Verrücktes filmt, wäre es nicht geworden. Wir hätten bestimmt zwei, drei Tage länger gedreht und die Leute noch besser bezahlt. Ich glaube, dass Zeit für einen Regisseur immer das Beste ist. Mit einem guten Buch und einem guten Ensemble hilft am meisten viel Zeit. Eigentlich musste Thomas auf nichts verzichten außer auf Zeit in einigen Momenten, wobei er dann allerdings manchmal auch einfach nicht verzichtet hat. Es gab zum Beispiel eine Situation, wo die reguläre Drehzeit bereits abgelaufen war. Zur Motivation des Teams sagte ich: «Jeder, der jetzt noch mit zum Motiv ‹Autobahnbrücke› kommt, erhält 50 Euro in bar ohne Quittung.» Einige Teammitglieder waren begeistert. Wir haben dann unter der Autobahnbrücke in Neukölln die Szene gedreht, in der Trojan den Teppich mit Meyers Leiche ins Wasser wirft. Danach bin ich rumgegangen und habe 800 Euro in bar verteilt. Das war ein großer Moment für mich: endlich mal Produzent spielen dürfen! «Tolle Aktion ohne Beleg!» sagte mein Kompagnon Michael Weber später, «das ist nichts anderes als eine Gewinnentnahme, du Superproduzent». Soviel zu fehlenden Belegen. An der Waldhütte kam es zur gleichen Situation, da hatte ich im Vorfeld schon gesagt: Thomas, diesmal bist du dran. Und er hatte Glück, denn wir waren einer weniger und er musste nur 750 Euro springen lassen.
Schramm Film ist wie vielleicht keine andere deutsche Produktionsfirma mit einem bestimmten Filmtypus, mit einer Idee von Kino, man muss mittlerweile ja fast sagen: mit einer Phase der jüngeren deutschen Filmgeschichte verbunden – gibt es da manchmal die Phantasie auszubrechen, so etwas wie den Bushido-Film zu machen? Lust, mal ein zehnfach so großes Schiff zu manövrieren?
Nein, wirklich nicht. Wir kommen nicht los von den kleinen Filmen, den kleinen Geschichten. Die Stoffe, die uns wirklich interessieren, können auf unserem Niveau gemacht werden. Deswegen gibt es uns auch schon so lange. Es gibt von unserer Seite keinen Darstellungsbedarf, und ich glaube, dass das etwas ist, was die Regisseure sehr schätzen: Dass wir ohne große Gesten auskommen, sehr gerne unser Büro um 18 Uhr schließen und uns auch für andere Sachen interessieren. Außerdem reisen Michael und ich nicht gern geschäftlich, und für die großen Nummern müsste man auch viel unterwegs sein.
Funktioniert Schramm Film wie eine wahlverwandtschaftlich gestrickte Familie, die hin und wieder ein neues Mitglied aufnimmt, aber eigentlich auch ganz gerne unter sich bleibt?
Macht halt schon Spaß, immer mit den gleichen Leuten zu arbeiten und auch mit denen älter zu werden. Es muss aber immer Raum für Veränderungen geben, sonst stagniert die ganze Geschichte. Wenn du immer nur aufeinandergluckst, ist das auch nichts. Es muss auch Elemente geben, die erstmal nicht reinpassen. Wenn Christian Petzold mal mit Teamworxx arbeitet, sind das Dinge, die in einer guten Familie auch stattfinden dürfen. Unterm Strich gibt es Verbindungen, die eben Konstanz haben.
Klingt wie bei der Godfather-Trilogie: Die Familie bleibt, aber die Welt um sie herum befindet sich im Wandel. Aus Ihrer Sicht: Auf was für eine Kinolandschaft treffen die Schramm-Filme heute?
In Deutschland gibt es ungefähr 40 Kinos, die als Abspielstätten für einen Film wie Im Schatten in Frage kommen. Auf dem Niveau von 20 000 angestrebten Zuschauern wird wohl noch einige Jahre was gehen, 100 000 wird immer schwieriger. Mir gefällt, was der Verleih und Kinobetreiber Pathé in England gerade macht. Die sind dazu übergegangen, wieder kleine Neighborhood-Kinos zu bauen, 30 bis 40 Plätze, gute digitale Projektion. Es ist die Idee des Gemeinschaftsorts, der auch wirtschaftlich ganz andere Rahmenbedingungen hat. Das ist es doch: Statt riesige Häuser am Stadtrand, in denen es nach Nachos stinkt, wieder kürzere Wege, kleinere Einheiten, Obst vom Bauernhof.
Mit Florian Körner von Gustorf sprach Simon Rothöhler
cargo empfiehlt bei dieser Gelegenheit Trinken, Singen, Schießen, das neue Album der Band Mutter, deren Schlagzeuger Florian Körner von Gustorf ist