Eucharistische Garnelenbisse Zu I Am Love von Luca Guadagnino
Die Musik zu diesem Film stammt zum größten Teil aus Kompositionen von John Adams, der mit der Oper Nixon in China und post-minimalistischen Arbeiten die serielle Schule hinter sich ließ und mit schwebenden Modulationen zwischen romantischen Schwingungen und Minimalismus seine Klangteppiche ausgelegt hat. Sieht man den Film von der Musik her, dann treten Diskrepanzgefühle auf. Zwar passen das musikalische Timbre und die in ihm erzeugte Stimmung nicht schlecht zum visuellen Mittelpunkt des Films, über den die New York Times schrieb, dass «inmitten all des Luxus» nichts den Blick so stark einfange wie «Tilda Swintons Alabastergesicht.» Und in der Tat sind es die Nuancen an Farbwechseln, die das versteinerte Gesicht dieser Ehefrau in einem Mailänder Modepatriarchat im Wechsel zur höchst animierten Geliebten eines innovativen Kochs markieren. Insofern passen Musik und Großaufnahmen in ihrer gleitenden und dennoch immer gefassten Ruhe gut zusammen. Aber zum Rest des Films passt das dann doch weniger gut. Denn dieser pflegt eine auffällige, fast einfältige Binarität: graue, verschneite Stadt, Arroganz der Macht, lieblose, körperferne Ehen, behandschuhte Bedienstete, kalt klirrende Kronleuchter, mächtig elegante Möblierungen, die wuchtige Villa stehen da auf der einen Seite – und auf der anderen? Das grüne Glitzern der Blätter, die organische Mannigfaltigkeit der bunten Kleininsekten auf der Sommerwiese, die nackte Haut, das kleine, zugewachsene, unordentliche Haus über dem untadeligen Meer, in dem sich eine Slow-Food-Küche etablieren wird … Tilda Swinton bleibt in beiden Welten ein Alabastergesicht, die schöne Russin, die in die reiche Welt der Mailänder Bourgeoisie eingeheiratet hat und nun auf der Datscha mit dem Freund ihres Sohnes zur Liebe wird. Das Ende bleibt offen, sie verschwindet aus der Villa und ein richtiges Happy End ist nicht in Sicht.
Symbolgebundenes Kino
Ein Film, der gerne pathetisch wäre, ein Melodrama mit großen Passionen – aber irgendwie wird er das nicht, es bleibt bei der Konfrontation zweier Welten, Generationen, Herkünfte. Die Liebe ist weder versöhnlich noch unversöhnlich, und wie man sich die personifizierte Liebe, die der Titel verspricht, vorstellen soll jenseits einer Allegorie als Begriffsrepräsentation oder als Theologie des Gottessohnes als fleischgewordener Liebe Gottes, lässt der Film offen. Pasolinis Teorema hatte die Liebe als sexuellen Joker in der Figur des Tramps eingeführt, der von der Magd bis zum Herrn universell Liebe gibt und damit die politische, soziale und sexuelle Ordnung der Macht unterwandert – davon ist dieser Film weit entfernt, obwohl er sich auch als politischer Film versteht.
Das Finale beginnt in der riesigen Kuppelhalle eines Doms, durch dessen Fenster eine eucharistische Taube nach Draußen fliegt, und dann sagt Swinton ihrem Mann, dass sie Antonio liebt, und von da an beginnt eine wilde Jagd durch die Zimmerfluchten der Villa, sie legt ihren Schmuck und die bourgeoise Kleidung ab wie eine Braut Gottes, um am Ende ganz aus dem Kreis der Blicke der Familie zu verschwinden. Das Finale ist als Oper inszeniert und die drängende Musik von Adams unterstreicht dies. Am Ende bleibt als Leerstelle die Großaufnahme eines leuchtend gelben Teppichs zurück. Der visuelle Stil des Films hat hier seine starken Seiten: die langsamen Fahrten auf Öffnungen von Räumen zu, die dann wieder nur an einer begrenzenden Wand enden und oft in harten Achsensprüngen eine andere Raumperspektive aufgreifen, die zu ähnlichen Rückpralleffekten führt. All das bleibt höchst symbolgebundenes Kino. Die Innenperspektive der Macht freilich gelingt darin weit überzeugender als der Ausflug ins Grüne. Ach ja, und die versprochene «kulinarische Verführung»? Auch die bleibt erfreulich kurz und beschränkt sich auf ein paar in Detailaufnahmen und Schuss-Gegenschussmontagen vorgeführte Bisse in Garnelen, die glänzen, als seien sie aus Farockis Film über Werbefotografie überstellt worden, und dem verklärten Gesicht der Esserin. Alles in allem ist der Film dann doch besser, als zu befürchten war und schlechter, als zu hoffen war. Zu viel auf dem Teller ist des Geschmackes Tod.