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pushy & forciert Wahrscheinlich bin ich einfach nicht der Richtige für romantische Komödien: Zu Tom Tykwers Drei

Von Peter Praschl

© X-Verleih

 

Sie heißt Hanna, er Simon, und genau heute, am 16. Oktober 2010, sind sie seit zwanzig Jahren ein Paar, sagt er ihr an einem Currywurststand. Erster Kuss oder erster Sex, fragt sie, erster Kuss natürlich, sagt er, & sollten wir nicht allmählich heiraten, sie schaut ihn an & dann sagt sie ja. So ein Paar ist das.

Sie: immer ein wenig pieksig & pushy, forcierte Witze, um zu gucken, was dann passiert. Er: rächt sich mit Romantikhochhalten, bewahrt die Liebeserinnerung (in jeder Beziehung gibt es einen Chronisten & einen, der sich von der Vergangenheit nicht behindern beherrschen bestechen lassen will), schaut sich in seinem Büro Pornovideos an & schläft nicht mehr mit ihr, jedenfalls nicht oft genug für sie, hat sich so ergeben, kein Grund, die Nerven zu verlieren.

Sie ist Moderatorin bei einer Fernsehkultursendung namens Kulturgut und nebenher Mitglied im Ethikrat, der über Stammzellenforschungspolitik debattiert. Er ist Inhaber einer Kunsttechnikfirma, die Künstlern dabei hilft, ihre Werke technisch zu realisieren. Haben abends Verabredungen fürs Theater. Reden noch die ganze Zeit miteinander. Und wenn sie abends durch ihren Kiez, dieses Kreative-Klasse-Trendguide-Berlin tapert, ist da immer eine Kneipe, in der sie hängen bleiben kann, mit Leuten ihresgleichen. So ein Leben ist das. Man erschrickt ein wenig, wenn es einem vertraut vorkommt.

Dann kommt Simons Mutter zu Besuch, um Bescheid zu sagen, dass sie Bauchspeicheldrüsenkrebs hat & ihr Lieblingsgedicht ist Hermann Hesses Stufen & will lieber sterben als leiden & beschleunigt es von eigener Hand & hat beschlossen, sich nicht begraben, sondern plastinieren zu lassen. Simons Vater dagegen: empathisch nicht mehr ganz auf dem Posten.

Und während Hanna zum dritten Mal dem Stammzellenforscher begegnet, der im Ethikrat über Chimären sprach & sich auf ihn einzulassen beginnt, wird Simon eröffnet, dass er Hodenkrebs hat & während er versucht, Hanna zu erreichen, um ihr durchzugeben, dass er, jetzt sofort, unters Messer muss, ist sie mit dem Stammzellenforscher und dessen Freunden im Fußballstadion & kann das Handy nicht hören & fühlt sich so gut, während Simon kurz, ehe ihm sein verkrebster Hoden aus dem Körper geschnitten wird, von einer der Frauen, die ihn für die OP fertigmachen, erfährt, dass er sie vor langer Zeit während ihrer Affäre geschwängert, sie das Kind aber abgetrieben hat, Hanna und Simon dagegen: kinderlos, & ohne dass

Hanna davon wüsste, wird er aufgeschnitten, & sie geht ihm fremd.

Der Stammzellenforscher heißt Adam Born & kommt aus dem Osten & spielt jedes Wochenende mit seinen Görlitzer Jungs Fußball im Mauerpark & hinterher Stadion & hinterher paar Bierchen im Schusterjungen, wo es noch die alten Gerichte aus Ostzeiten gibt & wohnt in einem Plattenbau (es sieht aus wie in einem Arbeitsamt, sagt Hanna) & fährt manchmal hinaus zu seiner Exfrau & seinem Sohn & ist Judoka & Segler & singt in einem Chor. Wann immer Tykwer die Gelegenheit hat, einen Menschen mit einer Eigenschaft, Eigenheit, Eigenart zu charakterisieren, entscheidet er sich für drei bis zehn. Das T-Shirt, das der Stammzellenforscher beim Fußballspielen trägt, hat einen Roten Stern auf der Brust. So ein Film ist das. Ein bisschen forciert.

Simon geht schwimmen im Badeschiff & lernt dort den Stammzellenforscher kennen & sie veranstalten ein Wettrennen & Simon erzählt von seiner Operation & später wird der Stammzellenforscher in der Umkleide sagen: lass mal sehen & ihm einen herunterholen & Simon kommt nun öfter zum Badeschiff, in der Hoffnung, dass auch der Stammzellenforscher da ist & klappt dann auch & so haben sie jetzt beide eine Affäre, ohne zu wissen, dass es derselbe ist.

So ein Film ist das, ein bisschen pushy und forciert, wie oft bei Tomtykwerfilmen. Split screens und Schwarzweißsequenzen und burleske Zwischenspiele und Zitate, erzählerischer Überschuss, von dem man sich manchmal belästigt fühlt, weil man die Empfindung bekommt, dass einem jemand Kunststückchen vorführen will.

Dass es ein Stammzellenforscher ist; dass er Adam Born heißt; dass er aus dem Osten kommt; dass es ein Hesse-Gedicht, eine De Sica-Referenz, ein Lubitsch-Touch ist; dass einem ständig das Konstruktive entgegenkommt, als sollte einem etwas um die Ohren gehauen werden: ist ein Film ein Film ein Film. Als wüsste man das nicht.

(& fragte mich, wieso der Film nicht manchmal einfach Ruhe gibt & zusieht. Und statt etwas Exemplarisches zu erzählen, nicht einfach nur: erzählt.)

(& dachte: wenn er den Wunsch hat, Menschen zu zeigen, in deren Leben die Kunst Wichtigkeit hat, warum dann die Shakespeare-Sonette in der Robert-Wilson-Inszenierung und Sasha Waltz und Jeff-Koons-Cicciolina-Fotos und ein Typ, der im Mauerpark nach Öl bohrt, die Art Kunst also, die sich bewitzeln lässt, selbst von den Menschen, die sie mögen)

Hanna wird schwanger & schließlich kommt alles raus, fast in flagranti & wird Zwillinge bekommen (und wann immer der Film die Gelegenheit wittert, einem etwas reinzudrücken, tut er es auch) & besinnt sich dann & Simon sich auch & sagen einander, dass sie beide nicht auf Adam Born verzichten wollen & machen sich auf den Weg & alle ziehen sich aus & Abspann

(& dachte: wahrscheinlich bin ich einfach nicht der Richtige für romantische Komödien, weil es mir so egal ist, dass die nach den paar Verwicklungen, die ihnen vom Regisseur hingehauen werden, einander am Ende kriegen)

(weil sich in romantischen Komödien die Menschen nicht verändern, sondern bloß irgendwann zwei sind statt wie vorher zwei mal eins & bei Tykwer eben drei, kein Verhängnis der Liebe, sondern Mit-sich-selbst-identisch-Bleiben, ob sie nun eins, zwei oder drei sind)

(die Plastination eines Genres, das tot ist; die Sprechweise, die dazugehört: Ironie)

(diese drei Leute, von denen man nie weiß, was sie voneinander wollen könnten; außer miteinander vögeln)

(wogegen nichts, nicht das Geringste einzuwenden ist, aber genau deswegen dachte ich: ja, und?)

Und dachte: dass ich gerne Fünf sehen würde, mit den Zwillingen, wäre für mich wahrscheinlich der Film, der mir näher käme, nicht so pushy und forciert, sondern endlich müde, mit weniger Schutz.