spielfilm

Le Nom des Gens

Von Ekkehard Knörer

Eigennamen sprechen, aber wie man nimmt, was sie sagen, ist eine Frage der persönlichen Haltung. Nach autobiografischem Vorbild stellen das Drehbuchautorenpaar Baya Kasmi und Michel Leclerc als Liebes- und Protagonistenpendant Bahia Benmahmoud (Sara Forestier) und Arthur Martin (Jacques Gamblin) vor die Betrachterin und den Betrachter. Bahia ist die als Kind vom Klavierlehrer missbrauchte Tochter eines algerischen Vaters und einer französischen Mutter von ausgesprochen linker Gesinnung. Ihre Spezialität: Sie fickt Rechte und bekehrt sie zur Linken. Arthur heißt wie eine urfranzösische Küchenmaschinenmarke, ist der Sohn eines prüden Paars von Atomkraft- und Technikbegeisterten und von der Seite der Mutter Enkel in Auschwitz vergaster griechischer Juden; beruflich ist er mit toten Tieren befasst und verehrt bedingungslos – worauf man auch erstmal kommen muss – den längst abservierten herzhaft uncharismatischen Sozialisten Lionel Jospin.

Bahia, die Halbalgerierin, die ziemlich französisch aussieht und längerfristig die Welt und im persönlichen Nahbereich neben den verblendeten Rechten auch den einen oder anderen Krebs oder Hummer zu retten mit Verve unternimmt. Als Romanze ist das ganze die Geschichte einer Linken, die ausnahmweise mit einem anderen Linken schläft und ihm später dann ein Geschenk macht, das er niemals vergisst. Auf der anderen Seite Arthur, der ziemlich verklemmte, im Vergleich zur Elterngeneration allerdings sehr progressive Franzose, der seine jüdische Herkunft so sehr verdrängt wie seine Mutter ihren Geburtsnamen Cohen.

Bahias wie Arthurs Vergangenheiten kehren als auf Dauer nicht zu Verleugnendes wieder in Gestalt ihres jüngeren Ichs, das mit dem älteren mal so und mal anders interagiert. Außerdem kommt es zur Zusammenführung zweier Familien mit absehbar verheerenden Folgen für politische Diskussionen mit anschließender schöner Versöhnung überm Küchengerät. In seiner Lust am politischen Klartext, den direkten Bezügen zu tagespolitischer Aktualität und seiner glasklaren Verortung im antirassistisch-alternativen Milieu ist Le nom des gens (gerade auch mit zwei Césars ausgezeichnet, für Sara Forestier und das Drehbuch) vor allem eins: ein Gegengift gegen die seltsamen politischen Träume des aktuellen französischen Kinos mit seiner tendenziell rechten Nostalgie-Kuscheligkeit, von den Sch’tis bis zu Les femmes du 6ème étage und Potiche. Da fährt Le nom des gens erfrischend dazwischen mit Menschen, denen die Hand fast verdorrt, wenn sie, um Le Pen zu verhindern, Chirac wählen müssen.

Als Movens, das sie zum Guten mitreißt und antreibt, geht der etwas schematische politische Starrsinn Bahias («alle Rechten sind gemeingefährliche Arschlöcher, punktum») nach Ansicht des Films ganz in Ordnung. Und nicht vom Identitären und von Wurzeln, sondern vom Bastardisieren und von zwangloser Distanz zur eigenen Herkunft wird hier in einer Weise geschwärmt, dass es Homi K. Bhabha zu Tränen rühren muss. Falsche Tabus werden sehr direkt attackiert, der Witz ist manchmal freundlich, manchmal böse, nie zynisch und gelegentlich sehr schön absurd. Le nom des gens ist der Film, der der Genre-Bezeichnung Multi-Kulti-Komödie wieder einen guten Namen gibt. Ein Märchen, das seinen Witz aus sehr konkreten und beim Namen genannten politischen Verhältnissen zieht. Und am komödiengerecht glücklichen Ende stehen ein toter Schwan und ein post-identitär-jüdisch-algerisch-säkular-links-französisches Kind namens Tchang.