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Episode Mad Men, Staffel 2, Folge 8: «A Night to Remember»

Von Thierry Chervel

Diese Serie handelt auch vom Verschwinden, von der Verdrängung unliebsamer Vorgeschichten, von der Erfindung eines eigenen Lebens. Don Draper ist das beste Beispiel. Er hat im Koreakrieg seine Identität gewechselt, um die Schande seiner Herkunft auszutilgen. Alle kennen nur den glamourösen Don, wenige kommen dem elenden Dick auf die Spur. Eigentlich kennen die Protagonisten der Mad Men einander kaum. Betty, Dons Frau, weiß nichts von Dick. Sie ahnt nur, dass da etwas ist, das sie nicht weiß. Der Zuschauer weiß wesentlich mehr als sie. Die Protagonisten von Mad Men kennen jeweils nur ihr eigenes Geheimnis, und sie halten eisern daran fest.

«Was immer es sein mag, Gott weiß es schon», sagt Pfarrer Gill, der Peggy Olson gern in seiner Beichte hätte. Peggy lehnt dankend ab. Wenn Gott schon alles weiß, warum soll sie sich dann noch dem Pfarrer offenbaren? Dabei gäbe es etwas, worüber sie klassischer Weise mit dem Pfarrer hätte reden sollen und das mit dem Beten eines Rosenkranzes kaum auszulöschen wäre. Sie hat ein uneheliches Kind. Keiner weiß es. Fast keiner. Sie wird es weggeben.

Sie war in der ersten Staffel als naives Ding in die Agentur Sterling & Cooper gekommen. Der junge Schnösel Pete Campbell, einer der Juniortexter, war über sie hergefallen. Im Laufe der ersten Staffel wurde Peggy immer dicker. Elisabeth Moss, die die Rolle spielt, muss sich wie einst Robert de Niro, regelrecht genudelt haben. Ihr Gesicht wird weich und weicher. Einmal reißt ihr Kleid. Joan, die rothaarige Sexbombe, muss ihr mit einer Sicherheitsnadel aushelfen. Peggy bekommt grässliches Bauchweh. Das sind schon die Wehen.

Niemand hat mitbekommen, dass sie schwanger war, nicht einmal sie selbst. Don wird sich da sehr solidarisch verhalten. Er wird sie – wie auch immer informiert – im Krankenhaus besuchen und ihr sagen: «Dies ist nie geschehen. Es wird Sie schockieren, wie sehr dies nie geschehen sein wird.» Das Kind wird – auch als Thema – aus der Serie verschwinden. Schon in Staffel drei wird es sein, als habe es nie existiert.

In Episode 8, die sich unauffällig in der Mitte der Staffel 2 versteckt, begegnen den drei wichtigsten Frauen der Serie, Peggy, Joan und Betty, Erkenntnisse, die ihre Leben von Grund auf verändern. Und obwohl der Zuschauer immer mehr weiß als sie, wird auch er es erst erkennen, wenn er aus größerer Entfernung auf die Entwicklung der Charaktere zurückblickt.

Es gibt mehrere erstaunliche, geduldig ausgespielte Momente der Stille in dieser Episode, für jede der drei Frauen mindestens einen.

Peggy liegt gegen Ende der Episode in der Badewanne, von ferne dringt ein wenig Straßenlärm in die Wohnung. Man sieht ihren Kopf, ihre Schultern, sie schwitzt und blickt ins Leere. Plötzlich fahren ihre Hände aus dem Wasser mit einem reißenden Geräusch. Sie legt sie sich ins Gesicht. Es ist wie eine religiöse Geste, ein Abwaschen von Schuld. Es könnte sein, dass Peggy in diesem Moment den Entschluss fasst, das Kind wegzugeben. Auch der Pfarrer wird gnadenlos aus der Serie verschwinden. Sie braucht ihn nicht. Man hätte gemeint, es würde sich ein Drama zwischen den beiden entspinnen – eines dieser «Dramen», die der berühmte Kritiker Daniel Mendelsohn in einem seltsamen Artikel über Mad Men in der New York Review of Books an der Serie so sehr vermisst. Peggy und der Pfarrer hätten sich verlieben können. Der Pfarrer hätte seinen Dienst quittieren und Folksänger werden können – am Ende der Episode wird er tatsächlich zur Klampfe singen: «Early in the Morning». Aber nein, das Drama findet in Peggy statt. Sie entscheidet sich für die Karriere. Peggy ist in der Serie die erste Texterin. Als erste Frau wird sie bei Sterling & Cooper ein eigenes Büro haben.

Auch Betty hat einen entscheidenden Moment. Ihr Ehekrach mit Don nimmt in der Episode den größten Raum ein. Sie ist die klassische Hausfrau und Mutter in der Serie, zugleich wunderhübsch, kühl bis an die Halskrause, aus guten Kreisen, ein ideales Accessoire für Dons Fassade. Aber er hält sie für so transparent wie sich für undurchschaubar. Sie geben ein Abendessen, und er hat es so arrangiert, dass im Supermarkt diese schicke europäische Biermarke – Heineken! – angeboten wird, deren Etat Sterling & Cooper so gerne hätte. Und Betty kauft tatsächlich dieses Bier und tischt es auf. Sie denkt, sie hat etwas Besonderes gefunden. Zum großen Gelächter der Gäste kommt beim Abendessen heraus, dass Don Betty richtig berechnet hat.

Sie wird einen ganzen Tag lang nachdenken. Sie durchsucht auch seine Jacketts, denn sie spürt, dass er sie betrügt, und er lügt sie frech an. Aber noch mehr als betrogen zu werden hassen es die Figuren von Mad Men, wenn man sie durchschaut. Der Bruch ist irreparabel.

Schließlich Joan, die sexy Chefsekretärin vom Typ Wie angele ich mir einen Millionär? Dabei hat sie gar keinen Millionär geangelt, sondern nur einen Loser von Arzt, der die erträumte Chirurgenstelle nicht ergattern wird und sich später in der Serie für Vietnam verpflichtet. Er erwartet, dass sie den Tisch gedeckt hat, wenn er von der Arbeit kommt, als hätte sie nicht selbst gearbeitet. Und sie eilt herbei mit Teller und Glas. Im Büro gibt sie gern die Maliziöse – aber wer ist eigentlich naiver, Peggy oder sie?

Joans Moment der Stille spielt am Ende eines sehr enttäuschenden Tages. Man sieht ihre imposante Rückseite. Sie sitzt in einem roten Negligé mit Spaghettiträgern auf ihrem Bett und sinniert. Ihre Finger betasten die schmerzende Druckstelle, die der endlich abgelegte BH auf ihrer Schulter hinterließ. Im Büro ist ihr an diesem Tag demonstriert worden, was Hierarchie ist. Ein paar Wochen durfte sie aushelfen, Fernsehskripts lesen, um zu prüfen, wie sich die Kontexte für Werbekunden eignen. Dafür hat sie schnell ein feines Gefühl entwickelt, hat Erfolg, wird von Kunden gelobt. Und dann wird ihr ein Kollege vor die Nase gesetzt, und sie wird auf ihre Sekretärinnenstelle zurückexpediert.

Diese Szene ist der Höhepunkt der Episode, diese unglaubliche Diskretion, mit der Joan die Demütigung einsteckt. Mad Men ist immer wieder eine Serie über Dinge, die nicht geschehen, Gefühle, die nicht gezeigt werden, Optionen, die man nicht nutzt, Perspektiven, die man nicht erkennt. Und doch verändert sich alles. Als Zuschauer sieht man aus fünfzig Jahren Entfernung, wie ein Craque-Element an den glamourösen Oberflächen entsteht, wie der Firnis zusehends abplatzt. Es ist eine Serie über die 60er Jahre: Anfangs haben die Protagonisten noch ein Geheimnis, am Ende vielleicht ein eigenes Leben.

Mad Men, Staffel 2, Episode 8