24. Februar 2009
Echo und Proteus Was nach zwei Folgen über Joss Whedons neue Serie Dollhouse zu sagen ist. Erste Notizen
Resonanzen auf Anhieb, unvermeidlich Ibsen: «Dollhouse», ein Puppenheim. Auf den ersten Blick hat Joss Wedons Serie damit wenig zu tun. Der Titel beschreibt zunächst nur das Arkanum, das hochgeheime Zentrum, von dem aus eine Gruppe von Experimentatoren Menschen einer Gehirnwäsche unterzieht, sie mit einer neuen Identität versieht und als dergestalt reprogrammierte Replikanten meistbietend vermietet. Im Kern des Puppenheims also ein Identitätstausch-Plot, der mehr als ein bisschen an Philip K. Dick erinnert.
Aber auch Ibsen liegt weniger fern, als man denkt. Die Heldin der Serie nämlich ist eine Frau, die als «Aktive» – so der ironische Name der Umprogrammierten – zunächst willenloses Opfer, die Puppe und Marionette der sie betreuenden eigentlichen Agenten scheint. Männer vor allem, wenngleich den Laden eine Frau leitet, von Olivia Williams gespielt.
Der Name der Heldin ist nicht Nora, sondern besser noch: Sie heißt Echo (gespielt von Eliza Dushku). Wie in der Mythologie die Frau, auf die Narziss' begehrender Blick fällt, die dazu verurteilt ist, immer nur die letzten Worte der Männer nachzusprechen, die man ihr sagt. Im Namen – der auf der ersten Serien-Bedienungs- und Bedeutungsebene von der Durchnummerierung nach dem NATO-Alphabet stammt (Alpha ist bereits aufgetaucht, beim Rest wird man sehen) – ist die Grundanlage mythisch benannt. In der zweiten Folge nach dem unter der Last des Exponierenmüssens doch recht schwer ächzenden Piloten wird dann klar, dass dieses Echo keineswegs dazu verurteilt bleiben wird, nur zu tun, was man bzw. Mann ihr sagt bzw. einprogrammiert.
Kommen sofort also Gender-Crux und Identitäts-Crux zusammen. Damit aber noch lang nicht genug Nämlich, als weitere Genre-Verweise. Der Polizeifilm, weil es einen FBI-Mann gibt, der der Dollhouse-Geschichte auf der Spur ist. Science-Fiction, weil das Dollhouse einer der archetypischen Ort für Machenschafter mehr oder minder irrer Wissenschaftler ist. (Obwohl es zugleich auch der CTU-Kommandozentrale in der erfolgreichsten FOX-Serie 24 zu ähneln scheint.) Recht eigentlich ist Dollhouse aber, das zeichnet sich schon nach den ersten zwei Folgen ab, als Genre-Proteus konzipiert.
Je nachdem, für welche Funktion und Tätigkeit die Heldin programmiert wird, ändern sich Tempo und Horizont und Genre-Zugehörigkeit der Serie. In Folge eins löst Echo einen Kidnappingfall, wobei ihr ein Trauma, das nicht ihr «eigenes» ist, hilft und auch nicht. Teil zwei ist eine Art Remake von The Most Dangerous Game: Echo wird in einer Geschichte, die viel von einem Videogame hat, von einem Verrückten mit Pfeil und Bogen auf Leben und Tod gejagt.
Das Proteische ist dabei konsequenter, weil radikal fantastisch erklärt, als in der auf andere Weise eine fluide Alleskönnerin ins Zentrum stellenden Agentenserie Alias von J.J. Abrams. Joss Whedon eröffnet sich mit seinem Gehirnwäsche-Gimmick mit einem Schlag eine geradezu unendliche Reihe von Variationsmöglichkeiten. Und natürlich auch einen Reichtum an Problemen. Radikal und im Fernsehkontext sehr prekär ist der Subjektentwurf der Echo-Heldin. Jede Folge, scheint es, endet damit, dass sie alles, was sich in den fünfzig Minuten zuvor ereignet hat, wieder vergisst. (Das wird mit einem grafischen Splittereffekt in Szene gesetzt.) Echo startet Mal für Mal also bei Null. Sie ist die Unschuld selbst, weil es kein Meta-Subjekt gibt, das die Folge für Folge erarbeiteten und vorgestellten Einzelsubjekte zusammenhält. Echo ist eine Puppe, in der kein individueller Kern steckt.
Dass es dabei nicht bleibt, wird schon in der zweiten Folge klar. In der Serie steckt, darf man vermuten, ein Emanzipationsprogramm. Was Echo ist, der harte Restkern eines «Ich», beginnt sich zu rühren. Sie reagiert anders als programmiert – nämlich, direkt humanistisch ist Whedon nicht, mörderisch (wenn auch in Notwehr). Es wird spannend zu beobachten sein, wie er im Weiteren das Echo- und Proteus-Programm miteinander vermittelt. Die Liebe, als mögliche oder unmögliche, kommt dabei ganz sicher ins Spiel. Angeblich hat Whedon sein Puppenheim bereits fünf Staffeln im voraus geplant. Kann gut sein, dass man sich sehr bald wünscht, FOX möge den Atem haben, ihn das wirklich entwickeln zu lassen.
Fortsetzung folgt.