23. Februar 2009
Funny or Die Mühelos bewegt sich David Wain, Regisseur der kürzlich angelaufenen US-Komödie Role Models zwischen Kino, Fernsehen und Internet – ein Blick auf seine beiden Netzserien Wainy Days und Stella Shorts
In seinem schönen Spielfilm Role Models taucht David Wain nur einmal kurz auf. Wer mehr von dem Mann mit schütterem Haar sehen will, der da als ebenso archetypischer wie unerträglicher Akustikgitarren-Kumbaya-Klampfer am Lagerfeuer eines Jugendzeltlagers sitzt, muss sich nicht weit umschauen. Die sowohl auf Youtube als auch über das Comedy-Videoportal My Damn Channel verfügbare Internetserie Wainy Days erzählt seit 2007 in bislang 3 Staffeln mit insgesamt 26 Folgen aus dem Liebesleben eines New Yorker Enddreissigers.
Der Grundzustand der Serie ist folgender: David Wain läuft durch New York, erzählt Blödsinn und wirft Passanten um. Gleich in der ersten Folge (jede Episode dauert fünf Minuten) unterbricht Elizabeth Banks, eine von vielen mehr oder weniger bekannten Gaststars der Serie, Wains Monolog. Auf seine Anmachversuche reagiert sie zunächst wenig zurückhaltend: «I would not necessarily mind if you were trying to get into my pants.» Das entscheidende Wort in diesem Satz ist «necessarily». An diesem Wort laboriert Wainy Days 26 Folgen lang herum. Im Fall von Elizabeth Banks muss Wain feststellen, dass sie sexuellen Avancen aller Art gegenüber so aufgeschlossen ist, dass sie ihn beim ersten Date im Cafe sitzenlässt, um sich vor seinen Augen mit ihrem Ex und dem Kellner zu vergnügen. Die Frauen wechseln, die Probleme auch, das Ergebnis aber ist fast immer dasselbe: Wain bleibt am Ende allein zurück. Hier die erste Folge, die auf einer ungewöhnlich optimistischen Note endet:
Wer ist dieser David Wain überhaupt? Zunächst vor allem einer jener «neurotic jewish bald guys», welchen das amerikanische Humorschaffen so viel zu verdanken hat. Allerdings einer der bösartigeren Sorte: mehr Larry David als Woody Allen. Ansonsten ist sein Lebenshintergrund in Wainy Days eine undurchsichtige Angelegenheit. Tagsüber sitzt er mit einigen Kollegen in einem überfüllten Raum vor altmodischen Nähmaschinen. Was da genau vor sich geht, weiß er selber nicht besser als die Zuschauer. «It seems to be some kind of sweatshop», vermutet er irgendwann gegen Ende der zweiten Staffel.
Wainy Days zelebriert eine grundsätzlich andere Form von Humor als die apatoweske Mainstreamkomödie Role Models. Die einzelnen Episoden erzählen zwar durchgängige Geschichten; innerhalb dieser Geschichten sind aber so ziemlich alle Regeln des klassischen filmischen Erzählens außer Kraft gesetzt. Das beginnt mit der Continuity. Wenn er in «A Woman's Touch» und «Plugged» beschließt, sich als Frau zu verkleiden, beziehungsweise sich ein künstliches Haarteil zuzulegen, dann übernehmen David Wains Rolle in den entsprechenden Szenen kurzerhand eine echte Frau respektive ein anderer Mann, die ihm beide kein bisschen ähnlich sehen. Insbesondere die Ursache–Wirkungs-Zusammenhänge sind gründlich in die Brüche gegangen. Dass David und seine Mitstreiter immer wieder aus heiterem Himmel zu tanzen beginnen, ist nur der Anfang. Gerade die Folgen der zweiten und dritten Staffel nähern sich mit exponentiell zunehmender Geschwindigkeit dem blanken Irrsinn. In «Tough Guy» (Wainy Days #15) führt ein Streitgespräch am Strand inklusive gegenseitigem Bepinkeln innerhalb kürzester Zeit vor den Traualtar, was die Serie nicht daran hindert, bald darauf bei einer Rückblende anzulangen, die zeigt, was David als Kind erhalten hat, wenn die anderen Kinder Süßigkeiten geschenkt bekamen – und das wiederum hat fürchterliche Folgen in der Gegenwart. Die Folge verdeutlicht gut die Eskalationslogik, welche in Wainy Days an die Stelle herkömmlicher Spannungsbögen tritt.
Die Dialoge erreichen derweil dadaistische Höhen – oder Tiefen, je nach Perspektive. Wenn David Elizabeth Banks in der ersten Folge fragt, ob ihr Freund «some kind of bunny bender» (statt: money lender) sei, ist das nicht einmal mehr die Parodie einer Freudschen Fehlleistung. Genau wie die allgemeinere narrative Struktur kappt der Dialogwitz bewusst jeden direkten Bezug zur Lebenswelt und erkundet statt dessen surreale Parallelwelten mit eigenen Gesetzlichkeiten. In noch reinerer Form findet sich diese Spielart des Komischen – die nebenbei bemerkt auch der historischen Form der Screwball-Komödie fast diametral entgegengesetzt ist – in einer älteren David-Wain-Produktion: in den zwischen 1998 und 2004 entstandenen Stella Shorts, die ebenfalls auf Youtube verfügbar sind.
Noch stärker als Wainy Days verraten die Stella Shorts David Wains Wurzeln in der reichhaltigen amerikanischen alternative Comedy-Szene. Dieser lose Zusammenhang amerikanischer Stand-up- und Sketch-Comedians hat in Deutschland nicht wirklich ein Pendant. Insbesondere die New Yorker Fraktion interessiert sich wenig für die hierzulande dominierenden Paradigmen kleinkunstkompatibler Comedy, nämlich dem sich oft staatstragend gebärdenden, dem eigenen Verständnis nach gesellschaftskritischen politischen Kabarret einerseits und den neueren, aus Amerika importierten, an harmlosen Alltagsbeobachtungen interessierten Formen andererseits. Statt dessen versuchen sich David Wain, Michael Showalter und Michael Allen alias «Stella» in den Neunziger Jahren zunächst auf New Yorker Bühnen, später diversifiziert über verschiedene mediale Platformen, an einer anarchischen, antirealistischen Form von Comedy, die sich gegebenen narrativen und kulturellen Formen weniger spielerisch, denn aggressiv dekonstruktivistisch nähert. Mit Begriffen wie «Satire» oder «Parodie» kommt man da nicht weit.
Parallel zur Bühnenkarriere arbeitete David Wain fürs Fernsehen, zunächst für seine eigene MTV-Sketch-Show The State, später unter anderem für US-amerikanische Humorinstitutionen wie The Daily Show und für MADtv. Inzwischen bewegt er sich mühelos zwischen Fernsehen, Internet und Kino und scheint die Mediengrenzen weniger als Hindernis, denn als potentielle Multiplikatoren zu begreifen. Überhaupt lässt sich die in der Medienwissenschaft seit längerem virulente Medienkonvergenz auf der Ebene der Inhalte am Beispiel der amerikanischen Comedy-Szene gut nachvollziehen. Als weiteres Fallbeispiel bieten sich in diesem Zusammenhang die Karrieren Will Ferrells und seines Hausregisseurs Adam McKay an. Basierend auf ihrem Fernseherfolg als Teil von Saturday Night Live produzierten die beiden nicht nur gemeinsam bislang drei Kinofilme (zuletzt Step Brothers, 2008), sondern gründeten 2007 außerdem das Internet-Videoportal Funny or Die, für das nicht nur sie selbst, sondern beispielsweise auch Judd Apatow und Ron Howard, exklusives Material zur Verfügung stellen.
Das Kino ist in dieser medialen Konstellation zwar ein wenig an den Rand gedrängt, bleibt aber ein integrales Bestandteil und sei es nur als Aushängeschild für andere, lukrativere Geschäftsfelder. David Wains Debütspielfilm Wet Hot American Summer war noch eine ein wenig unbeholfene, aber grundsympathische Indiekomödie. Zwei Filme später ist er bereits mitten in Hollywood angekommen. Dass das amerikanische Mainstreamkino von seiner Integrationsfähigkeit wenig verloren hat, dafür spricht nicht zuletzt, dass auch einer wie David Wain dort problemlos seinen Platz finden kann. In Role Models ist die anarchistische Schlagseite seines Humorschaffens zwar ein wenig gebändigt, aber sie lugt immer noch oft genug hervor. Man achte beim Kinobesuch nur auf die wirklich ungeheuer schaurige Gruselgeschichte, die Paul Rudd, seinerseits seit Jahren ein Wain-Regular, seinen Schützlingen am Lagerfeuer erzählt...