18. Januar 2010
Vorblende Hybrid-Reißer: FlashForward
Der Trick bei High-Concept-Projekten: Etwas ganz Unwahrscheinliches in zwei Sätzen vollständig begreifbar zu machen. Die im vergangenen Herbst bei ABC gestartete SciFi-Serie FlashForward stellt dies ihr Können, nicht nur darin an 24 geschult, mit den ersten Worten jeder einzelnen Folge nachdrücklich aus: «Am 6. Oktober verlor der Planet für zwei Minuten und 17 Sekunden das Bewusstsein. Die ganze Welt sah die Zukunft.» Das ist in der Tat die ganze Prämisse. Alle (fast alle) werden für 137 Sekunden ohnmächtig, fallen um, sacken weg – und sehen in der Vision, die sie in dieser Zeit haben, die Zukunft. Sie ist genau datiert: es handelt sich um den 29. April 2010. Futurische Rückblende, ein kleiner Zeitschluckauf sozusagen.
Jedes gelungene High-Concept-Projekt muss in seiner minimalen Prämisse Erzählpotenziale ballen. In der Dichte dieser Prämisse liegt mithin ihre Qualität. Die Ausgangsidee von FlashForward erweist sich schnell als in dieser Hinsicht genial. Sie ist sozusagen die Potenzialität selbst, weil sie kurzerhand den Zeitpfeil – und damit das Fundament überhaupt des Erzählens – vielversprechend manipuliert. Es liegen die unterschiedlichsten Genre-Potenziale darin, die High-Concept-Prämisse als kleiner Atomreaktor, der – in den Händen hinreichend exploitativ gesinnter Macher – immerzu Energien unterschiedlicher Art entbindet. Zentral ist das Thriller-Moment. Die Mehrzahl der ProtagonistInnen: ein kleiner FBI-Trupp. Joseph Fiennes in ihrer Mitte, er hat in seiner Vision den Stand der Ermittlungen zur Frage nach den Ursachen des FlashForward-Zeit-Schluckaufs in Bruchstücken gesehen. Wie es in einer späteren Folge einmal heißt: «Sie orientieren Ihre Ermittlungen an dem, was Sie in der Zukunftsvision sahen?» Ja, genau, das ist es. Das Futur regiert immerzu in die Erzählgegenwart hinein. Und setzt nebenbei das Erzählen selbst unter Druck: Wie geht die von David S. Goyer und Brannon Braga entwickelte Serie mit dem Zulaufen aufs determinierte Ende ihrer Geschichte um?
Viele sterben im FlashForward-Moment. Die anderen setzt die Prämisse so oder so existenziell unter Druck. All jene etwa, die gar nichts sahen: Sie sind am 29. April mutmaßlich tot. Die Frau des zentralen Protagonisten sah sich in ihrer Vision in einer eheähnlichen Beziehung mit einem ihr zum FlashForward-Zeitpunkt komplett fremden Mann. Sie erzählt es dem Gatten – Zukunft macht hier möglicherweise Ehe kaputt. Sie übrigens arbeitet als Ärztin im Krankenhaus. Die Macher von FlashForward kennen da nichts: Die Serie ist 24, House, Lost, Heroes und was weiß ich noch in einem. Soap, Thriller, Krankenhaus, Science Fiction. Sie feuert aus allen Rohren: es wird geschossen, geheult, gerätselt, gerannt. Gedacht und gelacht. Nichts ist komplett neu, die Mischung ist's, die es macht. Und manchmal eine hinreißende Inszenierungs-Idee: Zu Björks It's, oh, so quiet kippt die Menschheit zur Seite und fährt ein Bus in den See.